Montag, 11. Juni 2007

Ist der Medienbegriff "entgrenzt"?

Lambert Wiesing postuliert eine "Entgrenztheit" der modernen Medienbegiffe und nimmt dies zur Grundlage, um seinen phänomenologischen Ansatz vorzustellen (siehe Blogeintrag vom 22.5.). Moderne Medienbegriffe seien derart unscharf, dass es schwerfalle anzugeben, was kein Medium sei. Ist der Medienbegriff tatsächlich derart unscharf? Wiesing unterzieht die Medienbegriffe von Marshall McLuhan und Niklas Luhmann einer kurzen Analyse.

Nach Wiesing sind die McLuhanschen Medien "Werkzeuge, welche das Handeln und Wahrnehmen des Menschen verbessern". Unter diesen Medienbegriff fallen nicht nur körperliche Extensionen wie z.B. ein Hammer, sondern auch die modernen elektronischen Medien, die das zentrale Nervensystem erweitern.
Wird der Medienbegriff McLuhans auf diese Weise interpretiert, bleibt er in der Tat diffus und allumfassend. Eine alternative Interpretation des Begriffes würde auf die kognitive Erweiterung des Menschen durch Werkzeuge abzielen und über die simple Erweiterung des Körpers hinausgehen. Ein so verstandener McLuhanscher Medienbegriff würde die Aufmerksamkeit auf die kognitive Evolution des Menschen und den damit verbundenen sozialen Wandel lenken. Ein solcher Medienbegriff hätte nach wie vor eine Daseinberechtigung.

Ähnlich unscharf ist laut Wiesing der Luhmannsche Medienbegriff. Definiert nach Wiesing als "Möglichkeit für wirkliche Formen", lasse sich dieser abstrakte Medienbegriff auf (zu) viele Phänomene anwenden. Wiesing verkennt jedoch, dass der Luhmannsche Medienbegriff Teil des umfassenden Theoriegebäudes ist. Das begriffliche Instrumentarium der Luhmannschen Theorie erlaubt dem Systemtheoretiker die Analyse des Untersuchungsgegenstandes. Die Tatsache, dass alle gesellschaftlichen Phänomene einer solchen Analyse offenstehen, spricht nicht gegen die zugrundeliegende Begrifflichkeit.